Prof. Dr. med. Veit Mylius, seit 2014 in der Klinik für Neurologie in Valens tätig, beschäftigt sich klinisch insbesondere mit Schlaganfall, Morbus Parkinson und Kopfschmerzen. In einem internationalen Forschungsprojekt hat er 2017 einen Fragebogen entwickelt, dessen Anwendung es erstmals erlaubte, die Ursache der Schmerzen bei Parkinson-Erkrankten herauszufinden.
Die Parkinson-Krankheit – in der Fachsprache «Morbus Parkinson» – entsteht durch eine Eiweissablagerung («Lewy-Körperchen»), besonders im zentralen Nervensystem, und tritt insbesondere im zunehmenden Alter sowie meist spontan auf. Es gibt aber auch junge Patientinnen und Patienten; bei ihnen ist die Krankheit häufig vererbt. Die Veränderungen können bereits Jahre vor dem eigentlichen Krankheitsbeginn in den Nervenzellen des Magens nachgewiesen werden, weswegen vermutet wird, dass der Auslöser über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen wird und sich von dort über das Rückenmark bis ins Gehirn ausbreitet. Untersucht wird auch der Einfluss von Kaffee- und Nikotingenuss auf die Erkrankung.
Krankheit bringt zahlreiche Einschränkungen
«Erst wenn über die Hälfte der Nerven in der sogenannten schwarzen Substanz («Substantia nigra») degeneriert ist, sind die Bewegungen beeinträchtigt. Dies markiert klinisch den eigentlichen Krankheitsbeginn», erklärt Dr. Mylius. Dies äussere sich in einer allgemeinen Bewegungsverlangsamung, einer Muskelsteifigkeit («Rigor»), einem Zittern in Ruhe («Tremor») und einer Fallneigung. Und diese Einschränkung kann auch von anderen Symptomen wie Verlangsamung im Denken, Stimmungsschwankungen, Schmerzen oder Bewegungsunruhe begleitet sein.
«L-Dopa, eine Vorform von Dopamin, oder andere Medikamente, die wie Dopamin wirken, müssen regelmässig eigenommen werden», so Veit Mylius. «Weil die Lewy-Körperchen die Produktion von Dopamin in der schwarzen Substanz vermindern, fehlt die feine Steuerung der Bewegung. Daher hilft die regelmässige Einnahme von Medikamenten. Betroffene müssen jedoch darauf achten, L-Dopa eine halbe Stunde vor oder frühestens eine Stunde nach dem Essen einzunehmen.» Weil die Krankheit fortschreitend verlaufe, seien eine Anpassung der medikamentösen Therapien und ein regelmässiges körperliches Training sehr wichtig.
Gesamtheitliche Sichtweise wichtig
In Valens setzen wir gezielt Therapien und Medikation ein, sagt Veit Mylius, der 2017 zum Titularprofessor an der Philipps-Universität Marburg ernannt wurde: «Mit der Diagnose Parkinson ist bei guter medikamentöser Einstellung oft ein gutes Weiterleben möglich. Dafür ist ein gutes Verständnis der Erkrankung für die Patienten, Angehörigen und das Umfeld sehr wichtig. Daher haben wir in Valens eine Hör- und Sprechstunde eingerichtet.» Am Anfang könne durch die Therapien und die Medikation oft sogar die Arbeitsfähigkeit erhalten bleiben, im Verlauf mache die Erkrankung aber Anpassungen im Alltag nötig, etwa beim Essen oder beim Gehen. Er betont auch, wie wichtig die regelmässige Medikamenteneinnahme für die Therapie ist: «So können wir Bewegungseinschränkungen durch die Medikamente gleichbleibend verbessern und Phasen schlechter Bewegung (OFF) vermindern.»
Wichtig sind laut Prof. Mylius auch regelmässige physiotherapeutische Massnahmen, weil sie die Sturzgefahr minimieren und Kraft und Bewegungsausmass verbessern könnten. Er erklärt, dass – eher überraschend für den Laien – sich in frühen Phasen Tanz und Tai Chi als besonders effektiv erwiesen haben. Weniger überraschend ist hingegen, dass allgemeine körperliche Aktivität oder etwa Nordic Walking bereits grosse Effekte auf die Beweglichkeit und andere Symptome haben.
Wie es anfängt – und welche Therapien in Valens angeboten werden
Was sind erste Zeichen einer Erkrankung? «Das kann eine Verminderung der Geruchswahrnehmung sein oder eine Schlafstörung mit Bewegungen im Schlaf und lebhaften Träumen», antwortet Veit Mylius. Aber nicht alle Patienten mit dieser «REM-Schlaf-Verhaltensstörung» entwickeln einen Morbus Parkinson (etwa 60 bis 70 Prozent). Aktuelle Studien wollen herausfinden, wie man den Verlauf der Erkrankung durch eine frühe Therapie bereits in dieser Phase beeinflussen kann.
Das Therapie-Angebot in Valens ist sehr vielfältig, wie Mylius mit seiner Aufzählung zeigt: «In der Physiotherapie in Valens gibt es speziell geschulte Therapeuten, die beispielsweise die «Big-Movement-Therapie» anbieten, in der grosse Bewegungsumfänge trainiert werden. Ausserdem gibt es ein spezielles Training zur Sturzprophylaxe. In der Ergotherapie setzen wir besondere Hilfsmittel beim Tremor ein. Für die Behandlung von sprechmotorischen Beeinträchtigungen und Schluckstörungen wenden wir die spezifisch für Parkinsonerkrankte entwickelte Therapiemethode «Lee Silverman Voice Treatment (LSVT)» an. Auch die Einstellungsphase nach der Implantation einer Tiefenhirnstimulation (DBS) kann bei uns stattfinden. Dies machen wir in Zusammenarbeit mit der Neurologie im Uni-Spital Zürich und im Kantonsspital St.Gallen.»
Daneben gibt es eine Reihe weiterer Aktivitäten. So finden als wichtige Informationsplattform regelmässig Patientenseminare statt. Zudem wird zusammen mit der Betroffenenvereinigung Parkinson Schweiz eine jährliche Fortbildung für Patienten und Angehörige in Valens organisiert.
Studie zu Ursache von Schmerzen
Valens spielt auch in der internationalen Parkinson-Forschung eine bedeutende Rolle. Die Zusammenarbeit mit der Neurologie des Kantonsspitals St.Gallen und mit anderen führenden Kliniken in der Parkinson-Forschung, etwa in Brasilien, Frankreich und Deutschland, stärkt die Kompetenz für die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Und worum genau geht es beim Projekt «Schmerz bei Parkinson»? «In Zusammenarbeit mit Kliniken in Sao Paulo, Paris, Athen und Marburg haben wir einen Schmerzfragebogen entwickelt, der es erstmalig ermöglicht, anhand des Fragebogens die Ursache der Schmerzen herauszufinden», erläutert der Neurologe: «Im Wesentlichen müssen die mit Parkinson verbundenen Schmerzen von anderen Schmerzen unterschieden werden, bevor die verschiedenen Parkinson-spezifischen Schmerzen unterteilt werden können. Meistens liegen Schmerzen durch Muskel-oder Gelenksteifigkeit vor, danach folgen Schmerzen durch eine motorische Unruhe in Phasen, in denen die Medikamente nicht mehr so gut wirken.
Körperliches Training und Einstellung der Medikamente
Eine der Studien-Erkenntnisse lautet, dass vergleichbare Schmerzen bei Parkinson-Patienten öfters zu Depressionen führen als bei Nicht-Parkinson-Patienten. Damit ist die Therapie von Schmerzen bei Morbus Parkinson sehr wichtig, da diese auch die Lebensqualität und die Stimmung verschlechtern können. Nochmals Mylius: «Schon häufiges körperliches Training kann die Schmerzen vermindern helfen, ebenso eine bessere Einstellung der Medikamente. Manchmal müssen wir auch nach einer anderen Ursache für die Schmerzen suchen, z. B. nach Veränderungen der Wirbelsäule durch die Haltung oder nach einer Nervenschwäche an den Füssen.»
Gute Aufklärung und neues Wissen
Veit Mylius, der in seiner Freizeit Klavier spielt, Langlauf betreibt und sich auch für Architektur begeistert, will den Patientinnen und Patienten, aber auch den Angehörigen in der «Hör- und Sprechstunde» eine gute Aufklärung anbieten: «Weil schon das die eigenen Ressourcen mobilisieren kann, um die Parkinson-Erkrankung mit Mut und Tatkraft anzunehmen». Er schätzt daneben die Unterstützung durch die vielen Aktivitäten der Selbsthilfegruppe Parkinson Schweiz (www.parkinson-schweiz.ch), die eine gegenseitige Stärkung der Betroffenen und ihrer Angehörigen möglich mache. Und schliesslich bilanziert er: «Forschungsprojekte und eine internationale Vernetzung ermöglichen es zudem, neues Wissen direkt an den Patienten oder die Patientin weiterzugeben und die bestmöglichen Therapien anzuwenden».